Entnommen dem Sagenbuch von Oberlehrer Ignatz Storr
Rudo, der Vogt vom Rechberg, war ein strenger Mann und bei den Untertanen des Grafen gefürchtet. Seinen Zorn, der jäh aus ihm herausbrechen konnte, hatten schon viele zu spüren bekommen.
Rudo ging gerne im Hölltal auf die Jagd. Oft pirschte er auch allein durch den Neidling oder veranstaltete mit Freunden, die aus dem ganzen Remsgau, ja bis von Stuttgart zu ihm zur Pirsch kamen, wilde Jagden. Dann zogen sich alle Menschen, die dort wohnten, zurück und verriegelten ihre Türen und Fenster.
Nun begab es sich, dass der Vogt der Spur eines edlen Hirschs folgte, den er schon lange zu erlegen gedachte. Dass Sonntag war und er die Heilige Messe deshalb verpasste, das kümmerte ihn nur wenig. Schon nach wenigen Stunden sah er wieder an einer Furt, die durch das Bachbett führte, das kapitale Tier mit dem mächtigen Geweih stehen und Wasser trinken. Rudo legte seine Büchse an und wollte schießen, als unvermutet ein Kräuterweiblein des Weges kam. Der Hirsch schreckte auf und jagte davon. Wütend nahm der Vogt seine Reitpeitsche und drosch auf das Weiblein ein. Fast wäre es sogar vom Pferd des Vogts niedergetrampelt worden. Doch die Frau blieb ruhig, schaute auf und verfluchte den Jäger mit mächtigen Worten, so dass dieser sich von ihr abwandte und von dannen zog. Schnell vergaß Rudo diese seltsame Begegnung.
Wochen später hatte der Vogt wieder einmal zur Fuchsjagd geladen und ritt allen voran. Er trieb sein Pferd in wilder Jagd durch den Tann im Hölltal. An eben jener Furt scheute aber plötzlich sein Pferd. Rudo stürzte kopfüber und war auf der Stelle tot. Doch seine Seele fand keine Ruhe. In hellen Nächten, so erzählen sich die Menschen später, sei seine wilde Gestalt im Hölltal zu sehen. Dann reitet Rudo, begleitet von lautem Hundegebell im gestreckten Galopp durch den Wald. Ein Fuchsfell ziert seinen Kopf und das Knallen seiner Peitsche ist weithin zu hören. Manch armer Mann, der sich zu spät auf den Heimweg befand, hat sich darob dort im Hölltal schon zu Tode erschreckt.